Erläuterung 4: Passives Spiel (7:11-12)

 

A. Allgemeine Hinweise
Die Handhabung der Regelbestimmungen zum passiven Spiel verfolgt das Ziel, unattraktive Spielweisen bzw. gezielte Spielverzögerungen zu unterbinden. Voraussetzung ist, dass die Schiedsrichter über die gesamte Spielzeit hinweg passive Spielweisen einheitlich erkennen und beurteilen.
Passive Spielweisen können in allen Spielphasen des Angriffs einer Mannschaft, d.h. in der Spielfeldüberbrückung, in der Aufbau- und Abschlussphase, entstehen.
Vor allem in folgenden Spielsituationen können passive Spielweisen gehäuft auftreten:
· knapper Spielstand vor allem gegen Spielende;
· Unterzahl-Situationen (Hinausstellungen von Spielern);
· Spielerische überlegenheit einer Mannschaft, besonders im Abwehrverhalten.

Die in den folgenden Prozisierungen genannten Kriterien treten im Spiel selten allein auf, sondern müssen von den Schiedsrichtern in der Regel in der Gesamtheit beurteilt werden. Hier ist besonders die Wirkung regelgerechter aktiver Abwehrarbeit zu berücksichtigen.

B. Anzeigen des Warnzeichens
Das Anzeigen des Warnzeichens sollte besonders in folgenden Spielsituationen erfolgen:

B1. Warnzeichen bei langsamem Spielerwechsel bzw. langsamer Spielfeldüberbrückung
Beobachtungskriterien sind besonders:
· Warten auf Spielerwechsel im Mittelfeld;
· Ein Spieler verzögert die Ausführung eines Freiwurfs (täuscht vor, den Ort der Ausführung nicht zu kennen), eines Anwurfs (Torwart gibt den Ball langsam heraus, es wird ein bewusst schlechter Pass zur Mitte gespielt oder es wird langsam mit dem Ball zur Mitte gegangen), eines Abwurfs oder Einwurfs, nachdem die Mannschaft bereits zuvor aufgefordert worden war, diese taktischen Verzögerungen zu unterlassen.
· Prellen des Balls am Ort;
· den Ball ohne Bedrängnis über die Mittellinie zurück in die eigene Hälfte spielen;

B2. Warnzeichen bei verspätetem Spielerwechsel in der Aufbauphase
Beobachtungskriterien sind besonders:
· alle Spieler haben ihre Angriffspositionen eingenommen;
· die Mannschaft beginnt mit einem vorbereitenden Passspiel die Aufbauphase;
· erst jetzt erfolgt ein Spielerwechsel dieser Mannschaft.

· Anmerkung:
Eine Mannschaft, die aus der eigenen Hälfte heraus einen Gegenstoß spielt, diesen jedoch in der gegnerischen Hälfte nicht bis zum Herausspielen einer Wurfgelegenheit beenden kann, darf anschließend noch zügige Spielerwechsel vornehmen.

B3. Warnzeichen bei zu langen Aufbauphasen
Grundsätzlich muss jeder angreifenden Mannschaft vor Beginn einer gezielten Angriffshandlung eine Aufbauphase mit einem vorbereitenden Passspiel zugestanden werden.
Beobachtungskriterien für eine zu lange Aufbauphase sind:
· dem Angriff gelingt keine gezielte Angriffshandlung;
Anmerkung:
· Eine gezielte Angriffshandlung liegt besonders dann vor, wenn die ballbesitzende Mannschaft taktische Angriffsmittel anwendet, einen räumlichen Bewegungsvorsprung gegenüber der Abwehr oder eine deutliche Temposteigerung im Vergleich zur vorbereitenden Aufbauphase erzielt.
· häufige Ballannahmen im Stand oder in Rückwärtsbewegungen;
· mehrfaches Prellen des Balls im Stand;
· bei 1 gegen 1-Aktionen: frühzeitiges Abdrehen des Ballhalters, Warten auf Spielunterbrechungen durch die Schiedsrichter, kein räumlicher Vorteil des Ballhalters im Zweikampf;
· Aktive Abwehrhandlungen: Aktive Spielweisen der Abwehr verhindern die Temposteigerung des Angriffs z.B. durch Versperren von Pass- und Laufwegen;
· Ein besonderes Beobachtungskriterium für zu lange Aufbauphasen ist es, dass der angreifenden Mannschaft keine deutliche Temposteigerung zwischen einer Aufbau und Abschlussphase gelingt.

C. Handhabung des Warnzeichens
Erkennt ein Schiedsrichter (Feld- oder Torschiedsrichter) eine Entwicklung zu passivem Spiel, hebt er den Arm (Handzeichen 17) um anzuzeigen, dass ein gezieltes Herausspielen einer Torwurfgelegenheit nicht erkennbar ist. Der zweite Schiedsrichter sollte dieses Zeichen übernehmen.
Das Handzeichen soll anzeigen, dass die ballbesitzende Mannschaft keinen Versuch unternimmt, eine Torgelegenheit zu erreichen, oder wiederholt die Spielfortsetzung verzögert.
Das Handzeichen ist anzuzeigen bis:
· der Angriff beendet ist oder
· das Handzeichen nicht mehr gültig ist (siehe nachfolgende Hinweise).
Ein Angriff beginnt mit dem Ballbesitz und endet mit einem Torerfolg oder Ballverlust.
Das Vorwarnzeichen wird normalerweise bis zum Ende eines Angriffs angezeigt. Während eines Angriffs gibt es jedoch zwei Situationen, in denen die Beurteilung Passives Spiel nicht länger gültig ist und die Wirkung des Handzeichens aufgehoben wird.
a) Die ballbesitzende Mannschaft führt einen Torwurf aus und der Ball prallt vom Tor oder Torwart zu ihr zurück oder gelangt über die Seitenauslinie.
b) Ein Spieler oder Offizieller der abwehrenden Mannschaft erhält eine persönliche Bestrafung wegen regelwidrigen oder unsportlichen Verhaltens gemäß Regel 16.
In diesen beiden Situationen wird der ballbesitzenden Mannschaft eine neue Aufbauphase gestattet.

D. Nach Anzeigen des Warnzeichens
Nach Anzeigen des Warnzeichens sollten die Schiedsrichter der ballbesitzenden Mannschaft zunächst Zeit geben, ihre Spielweise zu ändern. Dabei sollten sie das Leistungsniveau in unterschiedlichen Alters- und Spielklassen berücksichtigen. Der gewarnten Mannschaft sollte die Möglichkeit zugestanden werden eine gezielte Angriffshandlung Richtung Tor vorbereiten zu können.

Unternimmt die ballbesitzende Mannschaft keinen erkennbaren Versuch, zum Torwurf zu gelangen, entscheidet einer der beiden Schiedsrichter auf passives Spiel (7:11-12). (siehe nachstehende "Entscheidungskriterien nach Anzeigen des Warnzeichens")

Anmerkung:
W&aulm;hrend torgefährlicher Vorwärtsbewegungen oder Wurfansätzen des Ballhalters sollte kein passives Spiel geahndet werden.

Entscheidungskriterien nach Anzeigen des Warnzeichens:

D1. Angreifende Mannschaft:
· keine deutliche Temposteigerung;
· keine gezielte Aktion Richtung Tor;
· 1-gegen-1-Aktionen, mit denen kein räumlicher Vorteil erzielt wird;
· Verzögerung beim Spielen des Balls (z.B. aufgrund des Blockierens von Passwegen durch die abwehrende Mannschaft)

D2. Abwehrende Mannschaft:
· Die abwehrende Mannschaft versucht, durch regelgerechte, aktive Spielweisen einen Tempowechsel bzw. eine gezielte Angriffsaktion zu unterbinden.
· Auf passives Spiel darf nicht entschieden werden, wenn die aggressive Abwehr durch ständige Regelwidrigkeiten den Angriffsfluss zerstört.

E. Anhang
Merkmale zu von Tempoverschleppung
· Spiel in die Breite statt in die Tiefe Richtung Tor
· Häufige Laufbewegungen quer und ohne Druck vor der Abwehr
· Keine Aktion in die Tiefe z.B. durch 1-gegen-1-Aktionen oder Pässe zu Spielern zwischen Torraum- und Freiwurflinie
· Mehrfache Pässe zwischen zwei Spielern hintereinander ohne deutliche Temposteigerung mit Aktionen Richtung Tor
· Der Ball wird mehr als einmal über alle Spielpositionen (Auäen-, Kreis- und Rückraumspieler) gespielt, ohne dass eine eindeutige Temposteigerung mit Aktionen Richtung Tor erkennbar ist.

Merkmale zu 1:1-Aktionen, mit denen kein räumlicher Vorteil erzielt wird, sind u.a.:
· 1-gegen-1-Aktionen in einer Situation, bei der (erkennbar) kein Durchbruchsraum vorhanden ist (Versperren des Durchbruchsraums durch mehrere Gegenspieler)
· 1-gegen-1-Aktionen ohne erkennbares Ziel des Durchbruchs Richtung Tor
· 1-gegen-1-Aktion mit dem Ziel lediglich einen Freiwurf zu erreichen (z.B. sich festmachen lassen oder eine 1-gegen 1-Aktion abzubrechen trotz Durchbruchsmöglichkeit)

Merkmale einer regelgerechten, aktiven Abwehrspielweise sind u.a.:
· Versuch, nicht zu foulen, um Spielunterbrechungen zu verhindern
· Laufwege der Angreifer, teilweise sogar durch zwei Spieler, zu verstellen
· Passwege in die Vorwärtsbewegung zu verstellen
· Offensive Abwehraktionen, mit denen Angreifer zurück in die Spielfeldtiefe gedrängt werden
· Provozieren von Pässen weit zurück in torungefährliche Räume